Togo-Tagebuch

 
 

September – Oktober 2023

1.10.2023

Die Tage der grossen Abenteuer, der überschwänglichen Verabschiedung sind vorbei. Alles ist organisiert. Das notwendige Material ist von Niki fein säuberlich auf vier grosse Koffer verteilt. Auch wenn einer der Koffer zwischen Zürich und Lomè verschollen bleiben sollte, ist genügend Material vorhanden. Es wurde gleichmässig aufgeteilt und mit nur einem Koffer wären wir schon bereit, am Montag mit der Arbeit zu beginnen. Nur gerade Milan, der treue Partner von Dominique und die Eltern unseres Nestkükens Samira haben zu früher Stunde den Weg zum Flughafen auf sich genommen. Glücklicherweise hat Jon-Erik, der Sohn von Mathis und Togo-Veteran den Taxidienst für Charlotte, Annamaria und seinen Vaters Mathis gemacht.

Wer glaubte, dass um 05:00 nichts läuft am Flughafen, ist sich seiner Hoffnungen spätestens nach der Rolltreppe zum Gate 1 beraubt: In Zürich beginnen die Ferien und Kreti und Pleti will in den Süden um letzte Sonnenstrahlen zu tanken oder nach Pristina seine Oma besuchen.

Entsprechend unserer Charaktere treffen wir zur abgemachten Zeit 05:30 ein: Samira und Barbara warten schon um 5:15 unter der Anzeigetafel, die Taxigäste aus Baden stossen 05:25 zur Gruppe.  05:35 werden alle nervös, weil Dominique noch nicht da ist. Also stehen wir schon mal ein an der Schlange der Ferientechniker und hoffen auch Dominique findet den Weg durch den Verkehr. Wie von Samira prophezeit, kommt Dominique genau zu dem Zeitpunkt, als wir an den freien Schalter vorrücken. Aber beklagen wir uns nicht, sie ist dafür umso grosszügiger im Duty Free Shop.

Der Flug nach Brüssel ist etwas eng. Die Zwischenzeit bis zum Weiterflug nach Lomé verbringen wir im Café bei Kaffee, Cola und Avocado-Brötchen.

Der Flug nach Lomé wird ganz unterschiedlich wahrgenommen. Von kurz bis sehr lang! Aber alle geniessen die Premium Economy.

Noch nie sind wir so schnell durch den Zoll, wie jetzt. Und welch ein Wunder: alle Koffer können vom Band gehoben werden. Kein Zeitverlust beim lost and found!  Gesundheitskontrolle? Das war einmal.

Herzlicher Empfang von Theo und der Delegation des Spitals. Haben sie ein schlechtes Gewissen wegen letztem Jahr? Selbst Bonbonma ist da, um uns die Ehre zu erweisen. Kommentar von Charlotte: ‘mit dem kann man arbeiten!’

Eigentlich haben wir erwartet, mit dem VW Bus von Niki abgeholt zu werden. Aber es erwarten uns die beiden Chauffeure vom Spital. Theo will nicht damit herausrücken, was mit unserem Auto los ist. Es scheint aber, dass es noch nicht repariert wurde – oder schon wieder kaputt ist….

Die Fahrt nach Vogan kommt uns so lange vor wie immer. Zumindest dem Schreiber. Der Verkehr ist noch nicht sicherer geworden, aber zumindest die Strasse ist jetzt bis zur Einfahrt zum Spital asphaltiert. 

 

1.10.23

Obwohl wir um 0900 zum Frühstück abgemacht hatten, sind alle schon eine Stunde früher auf den Beinen. Zeitverschiebung oder senile Bettflucht?

Ernest holt uns ab und gemeinsam fahren wir ins Spital. Ein Kompliment an unsere Kollegen der Juligruppe: alles ist in bester Ordnung und nach nur zwei Stunden ist alles eingerichtet und bereit für das erste Dutzend Patienten, welche Ernest für Montag aufgeboten hat.

Den Rest des Tages geniessen wir die Ruhe, sitzen am langen Tisch und besprechen, die Abläufe für den nächsten Morgen. Im Hintergrund singen die Togolesen eine nicht endenwollende Messe. Die alten Hasen nehmen es gelassen, bei den ‘Hamburgern’ ist eine gewisse Nervosität nicht abzustreiten.

 

2.10.23

Jetzt gilt es ernst. Wie gewünscht, aber nicht mehr erwartet, werden alle mit Trompetenklängen aus dem Schlaf gerissen - sofern man noch am Schlafen ist. Zum Glück sind wir nahe beim Spital und benötigen kein Auto.

Natürlich kann nicht alles von Anfang an funktionieren. Das erste Phakogerät gibt immmer eine Fehlermeldung. Zum Glück hat es noch ein zweites Gerät, aber auch dieses will nicht, bis Jemand auf die glorreiche Idee kommt, auch das Pedal auszuwechseln. Seither funktioniert das Gerät einwandfrei. Bis um 18:00 haben wir 12 Patienten eine neue Linse eingepflanzt, die meisten erhalten einen Retrobulbärblock. Über die richtige Technik diskutieren Dominique und Mathis den ganzen Tag.

Ziemlich geschafft gehen wir in der Abenddämmerung zurück ins Rote Kreuz Heim. Nicht ganz ungefährlich: die Motorradfahrer nehmen lieber das Horn zur Hand als dass sie einen Schlenker machen.

Wie abhängig wir von unserem Wifi sind, wird uns mindestens zehnmal pro Stunde bewusst. Kein Empfang führt sowohl bei uns wie auch zu Hause unterschwellige Panik aus. 

 

3.10.23

Am besten man geht vor der Arbeit noch kurz auf den Spitalbalkon um Emails zu verschicken und die Top-News zu erfahren.

Ernest wollte uns schonen: nur gerade 11 Patienten kommen zur Operation. Das kommt der Sitzung mit dem Spitaldirektor sehr entgegen. Ähnlich wie in einem Hochsicherheitstrakt werden werden Charlotte und Mathis in seinem Büro empfangen: elektronisches Schloss, gepanzerte und schalldichte Bürotüre. Nur eine Videoüberwachung haben wir nicht identifizieren können. Und plötzlich waren da noch drei Spitalmitarbeiter, Der Finanzverantwortliche, der Bauverantwortliche und der Personalchef mussten brav wie Hühner auf dem Gartenhag auf Stühlen an der Wand Platz nehmen.

Mathis konnte mit seinen knapp passablen Französischkenntnissen, das Spitalprojekt und die von uns angestrebte Aufgabenteilung vorstellen. Leider mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass das Spital von uns eine komplett eingerichtete Operations-Einheit erwartet. Damit hoffen sie auf ein Vorzeigeprojekt für Westafrika mit bezahlenden Kunden aus ganz Westafrika. Während wir von Kosten und Kostenverteilung sprechen, denken sie schon an Profite, die man später verteilen kann. Wir erklären, dass wir in erster Linie arme Patienten versorgen wollen. Trotzdem, es war ein gutes Gespräch, wir werden am Samstag den Verantwortlichen des Gesundheitsministeriums treffen und Mitte nächste Woche mit dem Regierungsvertreter und dem Spitaldirektor noch einmal unsere Zusammenarbeit etwas mehr als bisher im Detail besprechen.

Während wir mit Bonbonma unser Projekt besprechen, geht der Rest der Gruppe zum ersten Mal in einer Bar im Zentrum ein Bier trinken. Elf operierte Patienten heute ist eine gute Leistung!

Das Nachtessen glänzt durch eine schön assortierte Salatplatte, nicht ganz heisse Spaghetti und süsse Ananas zum Dessert. Wider Erwarten ist heute Abend Akba vom Croix Rouge nicht aufgetaucht. Sonst kommt er immer zum Abendessen und hofft auf ein Glas Wein mit uns. Auch wenn er manchmal etwas mühsam ist, die Unterkunft und das Essen sind gut. 

 

4.10.23

Tagwache mit Trompete! Trotzdem haben alle etwas Mühe mit aufstehen. Luxuriöses Morgenessen mit Nutella, Brioche, etwas trocken, Croissant , etwas verdrückt und richtige, französische Butter. Trotz verspätetem Abmarsch zum Spital sind wir so zügig unterwegs, dass schon fünf Minuten vor acht der erste Patient im OP-Saal behandelt werden kann.

Bis jetzt hatten wir das Gefühl, dass wir wirklich bedürftige Togolesen behandeln. Aber es musste ja kommen: kurz vor Mittag sitzt unser Freund Dr. Aussi légèrement im Stuhl von Ernest. Seine militärische Arroganz ist gewichen. Er spricht von Allianz und Zusammenarbeit, von Geldgebern aus den USA, bevor er Mathis bittet, ausgestaubtes Ophthalmologie-Material an s

einen Freund in der Schweiz zu schicken, damit es von ihm nach Togo weitergeschickt werden kann. Ach ja, gekommen ist er nicht wegen uns, sondern weil er einem alten Vorgesetzten und ehemaligen Colonel der togolesischen Armee empfohlen hat, seinen Katarakt bei uns operieren zu lassen. Schönes Kompliment, aber niemand von uns ist gekommen, um reiche Togolesen gratis zu behandeln. Aus Rücksicht auf Ernest machen wir es trotzdem, nachdem uns versichert wird, dass die Versicherung des Colonels die Kosten übernehmen wird.

Grosse Überraschung für das Abendessen: Akba will mit uns grillieren! Komische Idee für eine Vegetarier-Delegation aus der Schweiz. Aber es ist ganz bekömmlich, je nach länge des Grillens ist das Fleisch entweder zart oder hart wie das Herz eines 20 jährigen Ochsen. Aber sie haben sich grosse Mühe gegeben und sie sind stolz auf ihre Leistung.

 

5.10.23

Es gibt nicht viel zu berichten. Das Auto ist noch immer in der Garage. Dominique operiert wie versessen und wir versuchen ihr den besten Service zu bieten. Ich bin überzeugt, dass sie das Team am Ende der Mission auch in Zürich anstellen will. Nur Ernest hat etwas versagt. Nach 11 Patienten ist schon Schluss. Also verziehen wir uns ins Croix rouge, geniessen das Feierabendbier und essen die letzten Nüsse, die wir aus der Schweiz mitgebracht haben. Herr Akba kommt uns vor wie ein Schatten, den wir gerne abschütteln möchten. Wo wir hingehen, will auch er hingehen. Für Sonntag will er uns nach Lomé einladen, ebenso will Theo, dass wir zuerst in seine Messe kommen und dann mit ihm essen gehen. Weder das Eine noch das Andere stösst auf grosse Begeisterung. 

 

6.10.23

Welch ein Tag. Dominique in ihrem Übereifer will einem alten Herr gerade beide Augen operieren, aus ihrer Sicht de ideale Patient. Doch kaum sind die beiden Blocks gesetzt, das Wundgebiet desinfiziert und die sterile Abdeckung geklebt, nimmt weder das Pulsoxymeter noch der Blutdruck einen Puls ab. Charlotte bemerkt sehr schnell, dass etwas nicht stimmt. Wir reissen die Folie vom Gesicht und vor uns liegt ein Mann ohne Puls und Atmung: Reanimation ist angesagt. Charlotte beginnt mit der Herzmassage Mathis brauch etwas Zeit bis er synchron 15:2 beatmen kann. Die Beatmungsmaschine ist gerade 10 cm zu weit vom Patienten weg, so muss dieser erst noch verschoben werden, damit eine Beatmung möglich wird. Atropin, Adrenalin haben eine Kammertachykardie zur Folge, welche viel zu wenig Auswurf generiert. Also reanimieren wir weiter. Das wäre der Super-Gau, wenn er auf dem OP Tisch sterben würde. Magnesium und Cordarone  kommen als nächstes zum Einsatz, Die erweiterten Pupillen sind natürlich nicht beurteilbar, also reanimieren wir weiter. Mit suffizienter Beatmung durch die Larynxmaske und der beherzten Massage durch Charlotte, die sich nicht ablösen lassen will, kommt plötzlich wieder deine Spontanatmung zustande und auch die Herzfrequenz beginnt zu sinken. Dominique schliesst die OP noch soweit ab, dass das Auge keinen Schaden nimmt. Der Patient beginnt sich zu wehren, sodass die Larynxmaske nicht mehr notwendig ist und auch die Herzleistung wieder suffizient wird. Einige haben ihn schon im Grab gesehen, umso grösser ist die Erleichterung, als wir ihn bei Bewusstsein auf die Station abgeben können. Beim professionellen Debriefing meint Charlotte trocken, jetzt hätte ich etwas Interessantes fürs Tagebuch und muss nichts aus den Fingern ziehen.

Und trotz dem, wir schaffen bis um 17:00 17 Patienten eine Linse einzubauen, obwohl drei Patienten nach Schlägerei sehr ‘matschige’ und damit schwer zu operierende Augen haben.

Gerade noch vor Sonnenuntergang schaffen wir es, dass wir einen Eindruck vom wöchentlichen Markt erhalten. In der Woodo sektion stinkt es bestialisch – nicht verwunderlich, wenn man all die Tierschädel, Knochen und Tiere in verschiedenen Stadien der Verwesung anschaut!

Zum Nachtessen erhalten wir hohen Besuch aus dem Spital: Bonbonma isst mit uns und erklärt uns anschliessend das heutige Gesundheitssystem in Togo und die für uns gedachte Rolle mit dem Spital für Augen in Vogan.

Eigentlich ist klar, dass wir die Augenklinik bauen und einrichten sollen und dann die staatliche Organisation und das Spital das Zepter übernehmen. Die Stiftung hätte die Möglichkeit auf Vorankündigung die von uns finanzierte Klinik weiterhin für Projekte zu nutzen.

Beim ehemaligen, hohen Offizier der Armee, müssen wir eine Extrahonorar vergessen. Das Spital hat die Operation im Radio zum Preis von 12'000 Fr. tog. Angboten, ohne Einschränkung von Rasse, Geschlecht und Einkommen. Das müssen wir akzeptieren. 

 

 

7.10.23

Schon mal in Vogan, wollen wir auch operieren, also wird auch am Samstag bis 16:00 operiert und erneut 16 zum Teil schwierigen Patienten das Augenlicht wiedergegeben.

Anschliessend kommt Dr. Prempe von der ‘Organisation Kampf gegen die Blindheit’ zu uns ins Croix Rouge. Ein sympatischer Mensch, der mit uns die ebenfalls über die Zusammenarbeit diskutieren will.

Langsam kriegen wir ein Bild, wie unsere Klinik in die Gesundheitsversorgung von Togo eingegliedert werden könnte. Wie es Ärzte so an sich haben, würde auch er gerne die neuste Technik zur Operation der Katarakte lernen. Ausser wir während unserer Missionen, operiert niemand in Togo mit Phakolyse.

 

8.10.23

Obwohl wir alle Einladungen in den Wind geschlagen haben, ist nicht verwunderlich, dass es Dominique nicht den ganzen Tag in Vogan bleiben will. Also organisiert sie mit Samira und Barbara eine Spritztour nach Lomé. Gute essen und vorsondieren für den letzten Tag ist angesagt. Die in Vogan verbliebenen erhalten Fotos von Pizza, feinem Filet mit Pommes und einem Hotel mit Spa und allen Annehmlichkeiten eines 5 Sterne Hotels. Wenn alles rund läuft, werden wir am Donnerstag unsere letzte Nacht in Togo in Lomé in diesem Hotel verbringen.

Charlotte und Mathis versuchen unterdessen die Resultate der verschiedenen Gespräche zusammenzutragen und in die Vereinbarung mit dem Staat und in den Projektplan zu integrieren.

Zudem werden die Pläne von Uta mit Leben gefüllt. Das heisst, sie versuchen mögliche Abläufe für die Operationen in der neuen Klinik zu definieren. Wohin kommt der Eingang, wo warten die Patienten, wo soll sterilisiert werden, wohin kommt das Lager, wo könnte ein zweiter OP hinkommen, ist ein paralleles arbeiten unserer Stiftung und der Ärzte des Spitals möglich, wo können wir unsere Kaffeemaschine installieren, wo braucht es Air Conditioning und und und.

 

9.10.23

Es läuft gut! Schon um 16:00 haben wir 16 Patienten operiert. Jeder zweite geht mit dem Gruss ‘Dieu vous benice!’ nach getaner Arbeit aus dem OP-Saal- Hoffen wir, Er hört zu!

Und schon beginnt die Abreise: Armin ermahnt uns ein genaues Inventar zu erstellen! Die Phakosets werden nach Inhalt so ausgewählt, dass möglichst wenig weggeworfen wird. Vor dem nächsten Mal muss vermutlich wieder einmal eine grössere Ladung (Container?) geschickt werden.

Fast hätte ich es vergessen: der Togo-VW-Bus ist repariert und steht im Spitalhof. Ob er auch fährt haben wir noch nicht ausprobiert. Theo war es sichtlich unangenehm, dass wir solange warten mussten.

Mit dem Regen kommen die Mücken. Malerone wird fleissig genommen und der Köper mit Antibrumm eingenebelt. Das Resultat ist eine schon nach kurzer Zeit klebrige, leicht säuerlich stinkende Haut. Man möchte alle drei Stunden unter die Dusche gehen.

Dominique hat unsere Zeit nach dem Nachtessen mit einem lustigen Spiel massiv aufgeheitert: Werwolf heisst das Spiel: wer am besten lügt und andere ohne rot zu werden beschuldigen kann, gewinnt bestimmt. Aus Persönlichkeitsgründen nennen wir keine Sieger.

 

10.10.23

Rekordtag: Dominique dreht im Turbobereich! Ganze 21 Operationen haben wir ihr auf den Tisch gelegt. Nicht alle haben ihre jugendliche Frische und sind am Abend ganz geschafft. Kaum gegessen verziehen sich alle in ihre Zimmer. Obwohl, da ist es viel heisser als auf der Terrasse, dafür aber gibt es dank Gitterfenstern keine Mücken und man kann im Liegen lesen.

Die Nächte sind lang und doch wenig erholsam. Dazu ist die Temperatur in den Zimmern viel zu hoch. Mathis muss mindestens einmal pro Nacht so kurz nach Mitternacht unter die Kalte. Sonst beginnt er zu kochen. Selbst die nächtlichen Niederschläge können die Zimmer nur geringfügig abkühlen.

 

11.10.23

Morgen wollen wir nach Lomé und uns dort noch etwas vor dem Heimflug entspannen. Also beginnen wir mit den Aufräumarbeiten: Das kleine Lager im Untersuchungszimmer von Ernest wird radikal ausgemistet. Alte, runde Sterilisationsbehälter, die aussehen wir Kochtöpfe aus Chromstahl mit Klappscharnier  werden ans Spital verschenkt. Diese wurde bei uns schon im letzten Jahrtausend in die Alteisensammlung gegeben. Wo hat sie Armin wohl aufgetrieben. Tausende von Lesebrillen wurden da ebenfalls gehortet, anstatt dass sie Ernest den frischoperierten Patienten mitgegeben hat. Er hat uns aber versprochen, dies bei der nächsten Kontrolle nachzuholen.

Schön feinsäuberlich in Plastiksäckchen verpackt finden wir endlich die Instrumente für die Phakosets, die wir seit 10 Tagen gesucht haben. Hätten wir sie gehabt, wir hätten bestimmt noch mehr Patienten operiert! Vielleicht aber auch nicht. Quanität ist nicht Qualität. Und die Pausen, hervorgerufen durch die beim Sterilisieren vorgeschriebenen Zeiten, kamen den älteren Semestern immer ganz gelegen. Es wäre auch Sünde, würden wir die feinen Nespressokapseln, die Barbara gestiftet hat, nicht geniessen.

Heute wird nicht Werwolf gespielt. sondern gepackt. Geplant sind zum Abschluss nochmals 8 Patienten, bevor wir nach Hause fahren. Ernest hat aber angekündigt, dass er vielleicht noch mehr Patienten finden kann.

 

12.10.23

Aufbruchstimmung, schon vor den Trompetenklängen sind alle auf den Beinen.

Der erste Patient ist schon vor 08:00 glücklich vom OP Tisch gestiegen. Der grosse Schock schlägt 09:30 nach dem 5. Patienten ein: Bruxelles-Airways hat unseren Flug für morgen ganz einfach gestrichen. Und jetzt? Umbuchungen müssen über die eigene Agentur gemacht werden. Von der Gesellschaft wird keinerlei Hilfe angeboten. Gerade einmal der Verweis, dass bei Cancellation eine Entschädigung eingefordert werden kann. Was nützt uns das? Zum Glück ist Armin über WhatsUp erreichbar. Es liegt vermutlich an der Zusammenstellung der Gruppe, dass er schon wieder neue Tickets organisieren muss. Doch er macht das mit Bravour! Herzlichen Dank. Alle sind sich einig, dass wir, sofern Platz besteht und das sollte gemäss Homepage der Bruxelles Airline der Fall sein, der Heimflug um einen Tag vorverschoben wird. Das bedeutet, dass wir auf unser Hotel, das Dominique schon bezahlt hat,  mit Spa und wundervoller Gartenterrasse, auf das reichhaltiges Menü mit Pizzaauswahl wie beim Pizzablitz aber im Holzofen gebacken, verzichten müssen. Noch schlimmer aber ist, dass wir das Meeting mit Bomboma und dem Gesundheitsminister auf unbestimmte Zeit verschieben müssen.

Das Schicksal schon fast herausfordernd, nehmen wir als 7. Patienten nochmals den alten Herrn von letzter Woche auf den Tisch zu nehmen um ihm am zweiten Auge eine neue Linse einzupflanzen.

Gut verkabelt und ohne Retrobulbärblock verläuft die Operation ohne erneute Reanimation. aber das EKG zeigt, dass der Herr nicht gesund ist. Bei uns würde er eine Herzkatheterablation erhalten. Als wir das Spital um 13:00 verlassen, sitzt er, betreut von seiner Tochter, strahlend im Rollstuhl. Wie lange wird er sich wohl an seinem neu gewonnenen Augenlicht freuen können?

Mit etwas Verspätung, aber doch mit gutem Zeit-Polster fahren wir am frühen Nachmittag Richtung Lomé. Erinnerungen vom letzten Jahr werden wach und wir meinen die Stelle zu passieren, wo letztes Mal der Motor des VW Bus explodiert ist und wir bei untergehender Sonne, von Mücken geplagt und um die rechtzeitige Ankunft am Flughafen bangend, auf einen Ersatzwagen des Spitals warteten. Vorweg die gute Nachricht: trotz aufleuchtender Heizspule und Abgasrückführungwarnzeichen unter dem Tachometer, lässt uns das Auto mit seinen 326'000 Kilometern diesmal nicht im Stich. Der Fahrer kehrt sogar spontan nochmals um, damit wir das von Armin und Uta so gelobte Sichem auch noch besichtigen können. Ohne Anmeldung führt uns ein junger Student durch die verschiedenen Gebäude, zeigt uns die Metzgerei, die Unterkunft der Mädchen und Knaben (er nannte sie Garçons und Filles!) und die grosse Halle zur Ausbildung der Landwirtschaftsstudenten. Als krönender Abschluss wird mit Stolz die Schweinezucht mit grossen und ganz kleinen, gefleckten Schweinen präsentiert. Der Geruch bleibt uns noch bis nach Lomé in der Nase hängen.

Wenn wir schon nicht im Patio übernachten können, so führen uns Dominique und Samira auf dessen Gartenterrasse zu einem Drink und Pizza wie in Neapel. Ja, wir hätten es da sicher gut einen Tag ausgehalten vielleicht nächstes Jahr!

Fast verpassen wir die Hälfte des Teams. Weil wir einen Tag früher ausreisen haben all jene, die das Ausreiseformular schon zuhause ausgefüllt haben, ein falsches Datum im Ausreiseformular. Ist es die Weltpolitische Lage, ist es die Angst vor einem Anschlag, oder ist ganz einfach der Bürokratismus an absurdum nicht auszurotten? Die Hälfte muss zurück zum Bruxelles Airways Schalter und aller neu ausfüllen. Der letzte Aufruf zum Boarding ist schon gemacht, doch Samira, Barbara und Dominique sind immer noch nicht da. Verschwitzt, verärgert und ausser Atem schaffen sie es gerade noch vor dem Schliessen der Flugzeugtüre. Jetzt sitzen wir im Flugzeug nach Hause, der Zwischenstopp in Accra ist schon absolviert. Während fast alle Passagiere zumindest versuchen etwas zu schlafen und dabei mehr oder weniger laut schnarchen, kann das Tagebuch Togo 2023/2 dem Ende abgeschlossen werden.

 

Herzlichen Dank für Ihr Interesse.

 

PS: Jetzt darf ich es sagen: Dominique ist mit akuter Corona-Infektion nach Togo gekommen. Ein Testkit, das wir beim Einrichten am Sonntag noch gefunden haben, wurde mehr aus Jux benutzt. Hätten die Zöllner bei der Einreise wie früher das Thermometer benutzt, als und bei der Visa- und Gepäckkontrolle so schnodrig zu behandlen, wir hätten vermutlich ein zweites Mal unverrichteter Dinge zurückkehren müssen…Der Rest der Truppe erfreute sich die ganze Zeit bei bester Gesundheit, auf einen weiteren Test haben wir aber verzichtet.

PPS : Frage: wie viele unserer Koffer sind in Zürich angekommen? Natürlich gingen zwei verloren. Den einen haben wir noch am selben Tag gefunden, den anderen werden sie aus Zürich am Montag nachliefern. Ende gut Alles gut!